Jetzt reicht´s!

Mit besonderer Freude habe ich heute meine Registrierung in der britischen Ärztekammer erneuert, denn die Arbeitsbedingungen und Erwartungshaltungen an die Abputzer des Gesundheitssystems haben ein Ausmaß erreicht, das die Auswanderung ins europäische Ausland verlangt. Aufgrund meiner Englischkenntnisse und bereits seit der Approbation bestehenden Mitgliedschaft in der britischen Ärztekammer wird das in meinem Fall Großbritannien sein. Es lebe die europäische Freizügigkeit! Ich werde so schnell wie möglich meinen Facharzt machen, um dann zu verschwinden.

Das Ausmaß der Unverschämtheiten im Notdienst nimmt nicht ab, sondern zu. Natürlich ist der Notdienst wie auch der Klinikdienst in Relation zur geleisteten Arbeit schlecht bezahlt. Die Erwartungshaltung der Patienten ist ungeheuerlich. Für einen Harnwegsinfekt, der seit 3 Tagen besteht, wird nachts (um 3 Uhr morgens präziser gesagt) ein Arzt angerufen.

Die Patienten werden in wenigen Jahren sehen, wie sie versorgt sind: von ausländischen Ärzten, die man ausnutzen wird und deren Sprachkenntnisse oft direkt proportional zu ihren Fachkenntnissen sind. Deren Anzahl wird im Gegensatz zur Zahl derjeniger ausländischen Ärzten mit gutem medizinischem Niveau, von denen ich nicht wenige kenne und von denen ich viel gelernt habe, zunehmen. Auf einer der Stationen meiner neuen Stelle wurde ich freudig mit den Worten „Ah, mal jemand, der der deutschen Sprache mächtig ist!“ begrüßt – und das in einem mittelgroßen Krankenhaus.

Man weiß auf oberer Ebene durchaus, daß die Arbeitsbedingungen selbst den größten und zähesten Idealisten vergraulen können:

„Mehr als jede zweite Klinik in Ostdeutschland könne offene Arztstellen nicht besetzen, im Westen seien es 24 Prozent. Hoppe: «Zu wenige sind bereit, sich dauerhaft in die Patientenversorgung zu begeben.» Der Arztberuf mache einfach «keinen Spaß» mehr.

Die Ärztefunktionäre machten vergleichsweise schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und hohe Belastungen für die Missstände verantwortlich. Hoppe sprach von unbezahlten Überstunden im Wert von 1,2 Milliarden Euro. Köhler sagte: «Deutsche Ärzte arbeiten in der Woche im Durchschnitt 50,6 Stunden» – zehn Stunden mehr als andere EU-Spitzenreiter. Dazu komme, dass «die Hierarchien im Krankenhaus stärker ausgebildet sind als im Militär».“

Und nicht nur das – bei den oben genannten Arbeitsbedingungen fresse ich auch noch die Launen von unverschämten Angehörigen! Leute, was glaubt Ihr eigentlich, mit wem ihr es zu tun habt? Mit mir macht ihr das nicht mehr lange!

Alles, was ich wollte, war ein einigermaßen höflicher Umgangston. Aber das war scheinbar zu viel verlangt.

Wenn mein Zorn wieder abgekühlt ist, werde ich berichten, was mich derart auf die Palme getrieben hat.

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8 Antworten

  1. Schade… Aber sind die englischen Patienten wirklich so weit besser?

  2. Sagen wir mal, es herrscht ein wesentlich höflicherer Umgangston – Hausbesuche sind dort eine Seltenheit, die Warteschlange für Spezialisten ist lang. Selbst als Student wirst Du dort von Patienten sehr höflich behandelt. Ich war z.B. mit einem Facharzt in der outpatient clinic, so einer Art Ambulanz und durfte dort u.a. die neuen Patienten untersuchen – so höflich bin ich noch selten behandelt worden wir dort.

    Manchmal nimmt auch das groteske Züge an – wenn ich zum Beispiel in der brit. Ärztekammer anrufe, ändert sich der Ton schlagartig, wenn klar ist, daß ich die britische Registrierung habe – das geht mir persönlich fast wieder zu weit, aber wenn man sich die Umgangsweisen hier ansieht ist es nachgerade erholsam.

    Nicht zu vergessen, daß auch die Bezahlung weitaus besser ist. Um den eigenen Ärztemangel zu beheben, suchen sie gut ausgebildete Ärzte, was man nach einem dt. Studium sein kann (aber auch nciht muß).

  3. was sind eigentlich hausbesuche? trifft das auf meine gesetzl. krankenvers. zu? in israel gibt’s das nur als private dienstleistung

  4. Joohl! Habe ich gelacht! Das ist genau, was ich meine! Anderorts ist es ein Luxus, hierzulande eine Selbstverständlichkeit!

    Außerhalb der Sprechstundenzeiten gibt es überall in .de einen sogenannten hausärztlichen Notdienst für *alle* Patienten ungeachtet der Versicherungsart, das heisst, es ist rund um die Uhr ein Arzt erreichbar, den man rund um die Uhr aufsuchen kann. Ein Hausbesuch ist dabei in der Berufsordnung vorgeschrieben, wenn der Patient ausdrücklich darauf besteht.

    Ich bin zum Beispiel schon mit der Bemerkung angerufen worden, ein Patient könne schon den ganzen Tag nicht auf die Toilette, es sei jetzt (02.40 Uhr am Morgen) an der Zeit, dass ich käme. Nun das nicht etwas, das ich ambulant behandeln kann. Dito eine Herzinfarktsymptomatik, die von einem per Gesetz in 12 min vor Ort befindlichen Notarzt, aber nicht von einem hausärztlichen Notdienst, dessen Einsatzzeit ca. 30 min beträgt (fährt ja auch nicht mit Sonderrechten = Blaulicht) profitiert. Wenn der Patient Dir übel will, kann er Dir ernsthafte Schwierigkeiten machen.
    Im Klartext, es kann heißen, dass ich um 3 Uhr morgens zu einem Harnwegsinfekt zum Hausbesuch bestellt werde.

    Das gepaart mit einem unverschämten Ton und einer nicht realisierbaren Erwartungshaltung macht die Patientenversorgung hier sehr unattraktiv (nicht zu vergessen, daß wir einen schlechteren Stundenlohn und unangenehmere Arbeitszeiten als so mancher Handwerker in .de haben).

    Zum ärztlichen Notdienst Heidelberg.

    Es gibt auch eine Apothekenotdienst rund um die Uhr: Notdienste allgemein.

  5. Danke. Kannst du nicht einfach privat arbeiten? In der eigenen Praxis oder, wenn es dafür noch zu früh ist, als Angestellte bei einer größeren Praxis?

  6. Für eine eigene Praxis braucht man den Facharzt – im konkreten Fall waren es auch gerade ambulante PAtienten, deren Ansprüche ich inadäquat fand.

  7. Hättest Du den (ich spekulier mal) Harnverhalt nicht auch an den KV-Dienst abturfen können? Oder verpflichtet Dich die BO tatsächlich, dort persönlich aufzuschlagen?

  8. Ich war der KV Notdienst – aber wie soll ich bitte einen HArnverhalt ambulant auf Besuch behandeln??

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